Archiv der Kategorie: Kunst, Kultur und Sprache

Kunstgriff – eine Diskussion (1): „Kunst liegt im Auge des Betrachters“

Das Verlangen nach einer Definition der Kunst ist so alt wie die Künste selbst. Seit Jahrzenten versuchen sich Lexika daran, alle Facetten und Bedeutungsdimensionen des Begriffs einzufangen, mit allen seinen Variablen und Deutungen. Das sind Ecken und Nischen, in denen sich Ausnahmen verborgen halten, die alsbald von der Regel ausgenommen werden wollen.

Auch der Volksmund beschäftigt sich seit jeher mit einer Bezeichnung der Kunst und greift oft zu kurzen Sätzen, die – längst zum geflügelten Wort herangewachsen – die Kunst und das, was sie darstellt, woraus sie besteht, beschreiben sollen.

In Folgendem sollen einige der geläufigsten Thesen zur Kunst aufgegriffen und besprochen werden. Die zustande gekommene Zusammenstellung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit.

Kunst liegt im Auge des Betrachters

Bei dieser These wird bei der Beschreibung von Kunst davon ausgegangen, dass es einen Rezipienten für die Kunst gibt, der sie überhaupt erst zu einer Form von Kunst erklärt. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass dort, wo es keine Betrachter es auch keine Kunst geben kann. Beziehungsweise Kunst, die keine Betrachter findet, gar nicht erst zu Kunst werden kann.

Betont werden soll durch diese These, dass Kunst nicht ausschließlich vom schaffenden Künstler als solche deklariert werden kann, sondern vielmehr im subjektiven Empfinden des Rezipienten der Eindruck entsteht „Ja, das ist Kunst.“.

Spricht man von Subjektivität, muss man auch von Qualität sprechen. Denn wird etwas als nicht kunstwürdig eingeschätzt, so kann dies nur an der vermeintlich mangelnden Qualität des zu Beurteilenden liegen, „es ist es nicht wert“ zu Kunst erklärt zu werden, es ist „noch keine Kunst“. Das würde bedeuten, dass es eine subjektive Hierarchie der Qualität der Dinge gibt, die sie, ab einer bestimmten Höhe oder Rangordnung, zur Kunst erhebt.

Die Fragwürdigkeit der These „Kunst liegt im Auge des Betrachters“ kann vielleicht hierdurch verdeutlicht werden: Wer hatte den Titel Maler mehr verdient, van Gogh oder Picasso? Wer war mehr Musiker, Mozart oder Beethoven? Oder auf die Spitze getrieben: Wer war mehr Künstler, Chopin oder Monet?

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Lyrisches Ich (1) – „Vom Wollen und Sein“

Was gibt es bemitleidenswerteres als jene Studienräte, die, den Staub mit Zeige- und Mittelfinger von ihren heimischen Kleinbibliotheksregalen wischend, der Sinnkrise zum Opfer fallen. All‘ ihre einst steinernen Ideale aus dem Studium, hohl vom steten Tropfen aduleszenter Ungehörigkeit, Ignoranz und Faulheit. Man wollte ein Besserer sein, der Beliebtere, der Feinsinnigere, der Gutaussehendere. Doch man ist alt geworden, mürbe vom täglichen Kampf, bei dem es nicht darum geht etwas zu bekommen, was man nicht besitzt, sondern etwas zu geben, was man seit langem gehütet hat und woran man andere teilhaben lassen wollte: sein Wissen. So taub waren die Ohren, auf die man gestoßen war in den Jahren.

Und doch, es bleibt das Bedürfnis sich und das Seine mitzuteilen. Sonst wäre alles umsonst gewesen. Man möchte die Welt beschenken mit dem eigenen Blick der Dinge, den Erfahrungen, die das eigene Leben in Fülle bereichert haben.

Die Lyrik ist die Sprache der Dichter und Denker. Sie macht jede Aussage zu Poesie, selbst wenn die Wahrheiten, die dahinter stecken, noch so faul sind.

Nicht umsonst greift der Mensch zum Reim, wenn es darum geht der Auserwählten, der einzig Wahren, die lang gehegte Liebe zu gestehen. „Wenn ich es nicht bin, der sie überzeugt, vielleicht schafft es mein Feingefühl.“ Ein Gedicht ist etwas Intimes. Es entsteht aus reiflicher Überlegung heraus. Der Bauch spricht im Affekt, das Gehirn im Kalkül, das Herz in Reimform. Das Metrum schlägt im Takt des Pulses. Mal ruhig und besonnen, mal wild und ungestüm. Gedichte sind besonnene Leidenschaft, gezügelte Ausbrüche.

Wer könnte nicht verstehen, dass unser Studienrat in seinem Selbstzweifel, seiner zermürbenden Zwecklosigkeit zur Lyrik greift. Gedichte schreibt man nicht mit der Tastatur, sondern mit den Fingerspitzen. Unter Einsatz des mühevoll Verdienten wird im Eigenverlag ein Heftchen zum Buch hochstilisiert, hinter anmutigen Gedichtbänden im Franchise-Buchandel vergraben, führt es sein Dasein im Schatten seiner zellophanierten Nachbaren, die schreien und kreischen und flehen darum, dass man sich ihrer annehmen möge, mit ihren bunten Umschlägen, ihren seelenlosen redigierten, lektorierten Buchstabenwüsten. Bescheiden, ganz still liegt es da und schweigt, das Buch unseres Studienrats und fühlt, wie sich der Gilb seiner Seiten bemächtigt, wie der Kleister spröde wird.

Ein junger Mensch betritt den Laden. Sein Weg führt ihn vorbei an Fantasy-Romanen, Krimis, erotischer Literatur: zernagt, durchdrungen von belletristischer Spannungsfäulnis. Er greift nach einem Buch, eben diesem Buch unseres Studienrats. Mit spitzen Lippen bläst er den Staub von den Seiten, gleitet mit dem Daumen über die aufgefächerten Seiten, schlägt das Buch auf und ließt:

„Der Feingeist ist mehr Geist als fein, und wollte er doch Freigeist sein.“

 

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Fast geschenkt

Noch einmal schlafen, dann ist wieder Heiliger Abend. Wer jetzt vergessen hat den Anzug aus der Reinigung zu holen freundet sich besser mit dem Gedanken an über die Feiertage mit Jogging-Anzug auf Verwandschaftsbesuch zu gehen. Die Straßen, Fußgängerzonen, Einkaufszentren und Kaufhäuser sind voll von Menschen, die in letzter Sekunde noch Einkäufe tätigen. Weihnachten kam für einige auch dieses Jahr wieder sehr überraschend.

Trotz wirtschaftlich angespannter Lage, gehen die Deutschen shoppen. Vor allem bei Geschenken wird nicht auf’s Geld geachtet. Schließlich sollen sich die Pakete unterm Baum nur so stapeln, dass es die Äste nach oben spreizt. Es gilt die Regel: Je mehr man verschenkt, desto mehr springt für einen selbst raus. Doch die Investitionen seien auch hier klug geplant und verteilt. Onkel Hannes ist zwar Bauunternehmer und fährt S-Klasse, verschenkt jedoch in der Regel die übrig gebliebenen Weihnachtsgeschenke der Firma: Wandkalender für die Nichte, dem Bruder eine Flasche Rotwein vom Werbemittelhändler und ein schickes Mont-Blanc-Füllerimitat für den Vater. Tante Elisabeth hingegen ist seit 13 Jahren verwitwet – seit ihr Rudi nicht mehr malern konnte wegen seiner chronischen Bronchitis, ging es ganz schnell bergab mit ihm – und steckt gerne mal ’nen Hunni ins Kuvert, auch wenn es dann am zweiten Weihnachtsfeiertag nur noch Bohnensuppe gibt.

In diesem Zusammenhang sei ein kurzer Ausflug in die Empirie erlaubt. Wir unterscheiden zwei Arten von Schenkverhalten bei Paaren:

Typ 1:

Bettina und Matthias haben schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt Ihrer Beziehung miteinander vereinbart, dem Konsum zu entsagen und schenken sich zu Weihnachten nichts (Baum, Kugeln, Lichterketten, lebensgroße, beleuchtete Rentiere für den Rasenstreifen vor ihrem Reihenhäuschen werden von dieser Regelung großzügig ausgenommen). Alles was man haben möchte, wird während des Jahres gekauft. Außerdem seien die spontanen Aufmerksamkeiten, ohne konkreten Anlass, viel romantischer.

Typ2:

Franziska und Tobias beschenken sich gerne und reichlich. Tobias beteuert jedoch, dass er viel lieber schenkt, als beschenkt zu werden.

Wenn Du, verehrter Leser, zur ersten Kategorie Mensch zählst, kannst du entspannt eine Tasse Glühwein schlürfen und dich souverän durch die Feiertage navigieren, bis nach den kulinarischen Eskapaden der Feiertage die Gicht in Deine Gelenke fährt. Den anderen seien folgende Ratschläge auf den vorweihnachtlichen Einkaufsweg mitgegeben:

1. Die Frage „Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?“ ist nicht nur erniedrigend für denjenigen, der sie stellt, sondern auch völlig sinnlos, da darauf in der Geschichte der Menschheit noch nie eine hilfreiche Antwort gegeben wurde. Im besten Fall lautet sie „Ich wünsche mir nichts, außer…“. An dieser Stelle folgt meist die Verknüpfung zu einem lange bekannten Vorwurf. Eine Auswahl: „… dass du ab und zu den Abwasch machst, …du auch mal Morgens um halb sechs mit Lenny Gassi gehst, …unser Sohn Kevin wieder einziehen darf, sobald er aus dem Jugendarrest raus ist.“

2. Ein Frau wird immer ausdrücklich versichern, dass Sie sich nichts wünscht. Übersetzt bedeutet das: „So einfach kannst du dir das nicht machen, da musst du dir schon Gedanken machen.“ Auf keinen Fall in die Falle tappen und wirklich nichts schenken, ansonsten drohen ernsthafte Konsequenzen.

3. Trotz gekürztem Weihnachtsgeld und persönlicher Finanzkrise bleibt das erneute Benutzen von aufbewahrtem Geschenkpapier erbärmlich. 30 Minuten am Geschenk herumzunesteln, den Klebestreifen vorsichtig zu lösen und das Papier anschließend zu bügeln macht nicht nur keinen Spaß, sondern ist auch noch hochgradig menschenunwürdig und dumm.

Jetzt aber schnell ins Bett. Morgen geht’s früh los. Zum Shoppen in die City. Frohe Weihnachten!

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Wort des Jahres 2009

Deutschland ist wieder Land der Dichter und Denker. Seit die Kohle fehlt macht sich’s auch die Einzelhandelsangestellte zu Hause gemütlich mit einer „schönen Flasche Rotwein“ (Toscana!) und einem „guten Buch“ und lernt: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Kein Zweifel, die Auseinandersetzung mit Sprache, wenn auch zumeist auf eher niedrigem Niwo, pardon Niveau, ist hip.

Verständlich also das Interesse am jüngst veröffentlichten Wort des Jahres 2009 der „Gesellschaft für deutsche Sprache“. Für alle diejenigen, die nicht Radio hören, Zeitung doof finden wegen Umwelt und so und lieber im Bistro des Ökoladens um die Ecke an Ihrer Dinkel-Malz-Kruste knabbern, als vor der Glotze zu sitzen: And the winner is „Abwrackprämie“. Dicht gefolgt vom Politeuphemismus „kriegsähnlicher Zustand“ und dem Dauerrenner „Schweinegrippe“. Die „Bad Bank“ schafft es immerhin auf Platz 4, der „Weltklimagipfel“ in Kopenhagen (Kritiker sprechen derweilen von Floppenhagen, beste Chancen für’s nächste Jahr) auf Platz 5. Obwohl die Erkenntnis „Deutschland ist Europameisterin“ immerhin aus 3 Wörtern besteht landet sie auf Rang 6 vor „twittern“. Auf Missstände aufmerksam machen möchte der Begriff „Studium Bolognese“, der die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Rahmen des Bologna-Prozesses als das entlarvt, was es in den Augen der Audimaxbesetzer ist: Quatsch mit Soße. Das „Wachtsumsgesetz“ auf Platz 9 klingt fast sarkastisch, so knapp gefolgt von der Wendung „Haste mal ’ne Milliarde?“, die den leichtfertigen Umgang mit großen Summen in Zeiten der monetären Knappheit verdeutlichen soll.

Und wieder wird es die „Abwrackprämie“ nicht leicht haben, dieses Mal jedoch sprachlich. Sie tritt in große Fußstapfen. Die „Finanzkrise“ von 2008 hat ausgedient, ebenfalls natürlich nur auf Sprachebene, die „Klimakatastrophe“ aus dem Jahr 2007 – abgehakt. Seit dem „11.September“ (2001) hat sich alles geändert: „(Das alte) Europa“ (2003) hat den „Teuro“ (2002) eingeführt, alle – besonders die „Hartz IV“-Empfänger (2004) – haben auf der Berliner „Fanmeile“ (2006) Ihrer ersten „Bundeskanzlerin“ (2005) zugejubelt.

Neidisch blicken wir nach Österreich, ob der eher profanen Wortwahl der GfdS. Das sympathische Alpenvolk hat mit dem „Audimaxismus“ eine echte Alternative zur Demokratie gefunden. Die Studenten wollen im Hörsaal eben nicht nur hören, sondern auch gehört werden. Offensichtlich haben sie einiges zu sagen. Man darf gespannt sein welcher Begriff 2011 dann das Rennen für das Wort des Jahres machen wird. In der engeren Auswahl schon jetzt „Cafete“, „Prof“ und „voll nich‘ ok“.

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